Eine Depression beeinträchtigt den Umgang zwischen dem Betroffenen und seinem Umfeld sehr viel mehr als eine körperliche Erkrankung. So reagieren die Angehörigen
häufig überfürsorglich, kontrollierend, ungehalten, anklagend, wütend, ängstlich oder hilflos.
Deshalb ist es für Angehörige zunächst einmal wichtig zu wissen, dass eine Depression die Eigenwahrnehmung und Selbsteinschätzung des Betroffenen verzerren kann, so
dass Ereignisse und Situationen von den Betroffenen meist krankheitstypisch negativ bewertet werden. Jede Depression verläuft jedoch individuell verschieden. Manche Betroffene sind eher verlangsamt
und antriebslos wohingegen andere wiederum unruhig und angespannt sind. Viele Betroffene reagieren auch gereizt und aggressiv und flüchten sich vermehrt in ihre Arbeit. Mitunter muss der Leidensdruck
erst sehr hoch werden, bevor der Erkrankte von sich aus professionelle Hilfe sucht.
Angehörige sollten deshalb ohne Druck versuchen, den Betroffenen zu motivieren, sich in Behandlung zu begeben. Gleichzeitig sollten sie immer wieder auf ihre eigenen
Grenzen hinweisen und auch auf ihre eigene Gesundheit und Belastbarkeit achten.
Der emotionale Rückzug des Erkrankten (auch bzgl. Nähe und Sexualität) kann zu einer großen Belastung für die Partnerschaft werden. Unsicherheiten im Umgang mit dem
Betroffenen, das Alleinsein mit den Sorgen und Ängsten bis hin zu existenziellen Problemen, Zurückweisungen durch den Betroffenen, Schuld- und Schamgefühle sind weitere Probleme, mit denen der
Angehörige umgehen lernen muss.
Deshalb ist es in vielen Fällen sinnvoll, dass auch der Partner für sich selbst Hilfe sucht. So bieten beispielsweise die sozialpsychiatrischen
Dienste (im Gesundheitsamt oder bei freien Trägern) sowie psychosoziale Beratungsstellen (Caritas, Diakonie oder auch unser Verein) konkrete Hilfen oder zumindest entlastende Gespräche an. Wenn die
Situation dauerhaft als sehr belastend erlebt wird, ist es ratsam, Selbsthilfegruppen für Angehörige zu besuchen oder selbst psychotherapeutische Unterstützung in Anspruch zu nehmen.
Tipps für den Umgang mit dem Erkrankten:
- Auch wenn Partner und Freunde verständlicherweise gerne helfen möchten, sollten sie sich auf keinen Fall in eine Therapeutenrolle drängen. Der Erkrankte
gehört in die Hände eines professionellen Arztes und/oder Therapeuten!
- Ermahnungen und Appelle wie "versuch doch, dich wenigstens zusammenzureißen" oder "sieh doch nicht immer alles so negativ" sind nicht hilfreich, sondern verstärken
nur noch zusätzlich Druck und Schuldgefühle beim Betroffenen, da er diese meist ohnehin selbst empfindet. Denn die Erkrankung hat nichts mit fehlendem Willen oder Faulheit des Betroffenen zu
tun!
- Gut gemeinte Urlaubsvorschläge sind in aller Regel kontraproduktiv, denn die Depression reist mit und kann sich in einer fremden Umgebung ohne die gewohnte
Tagesstruktur sogar noch verstärken.
- Es ist wichtig, den Betroffenen mit seinen Gefühlen ernst zu nehmen und die Erkrankung nicht zu bagatellisieren, sondern verständnisvolle Zuneigung zu
zeigen.
- Bei großer Antriebs- oder Hoffnungslosigkeit ist es sinnvoll, immer wieder einfühlsam zum Arztbesuch zu ermutigen, evtl. auf Wunsch auch einen Termin zu
vereinbaren und/oder den Betroffenen zum Arzt zu begleiten.
- Die Schweigepflicht von Ärzten und Therapeuten gilt auch gegenüber Angehörigen. Nur mit ausdrücklichem Einverständnis des Patienten dürfen sie Auskünfte erteilen. Gut
gemeinte heimliche Kontaktaufnahmen mit den Behandlern werden vom Patienten oft als Vertrauensbruch empfunden und sollten unterbleiben.
- Unter Beachtung ihrer eigenen Grenzen und nach Rücksprache mit dem Betroffenen können Angehörige und Freunde den Erkrankten bei alltäglichen Erledigungen helfen
(z. B. Erinnern an Termine oder Medikamenteneinnahme, Einkäufe erledigen, Mithilfe im Haushalt, kleine begleitete Spaziergänge anbieten). Es empfiehlt sich jedoch, darauf zu achten,
dem Kranken nicht alles abzunehmen, sondern ihn einzubeziehen und bei seinen eigenen Aktivitäten zu unterstützen und zu fördern!
- Angehörige können den Erkrankten dabei unterstützen seinen Tagesablauf zu strukturieren sowie auf ausreichend Schlaf und
regelmäßige Bewegung an der frischen Luft zu achten. Spaziergänge an der frischen Luft unterstützen den Heilungsprozess! Für die Betroffenen kann es
hilfreich sein, wenn die Angehörigen hier die Initiative auf eine liebevoll zugewandte Art ergreifen und den Erkrankten zu "eigenen" Spaziergängen mitnehmen. Zudem sollten Alkohol- und
Dogenkonsum vermieden werden.
- Vielen Depressiven fällt es schwer, Entscheidungen zu treffen. Hier können Angehörige helfen, diese nach objektiven Gesichtspunkten abzuwägen. Weitreichende
Entscheidungen über die private oder berufliche Zukunft sollten jedoch erst nach dem Abklingen der Depression getroffen werden!
- Für den Angehörigen ist es ratsam, mit dem Betroffenen auch über die eigenen Grenzen und Gefühle (z. B. Ängste, Unsicherheit, Hilflosigkeit) zu sprechen. Auf
gegenseitige Schuldzuweisungen sollte jedoch verzichtet werden!
- Zurückweisungen des Erkrankten sollte der Partner möglichst nicht persönlich nehmen, sondern daran denken, dass diese meist der Erkrankung geschuldet sind.
- Niemanden ist geholfen, wenn Angehörige sich von der depressiven Gemütsverfassung anstecken lassen. Daher ist es für sie sehr wichtig, das eigene Leben
weiterzuführen, weiterhin Freunde zu treffen und Hobbys zu pflegen. Auf große Feierlichkeiten und Einladungen in das eigene Heim sollte aus Rücksicht auf den Betroffenen jedoch möglichst
verzichtet werden, um den Erkrankten nicht zu überfordern und zusätzlich unter Druck zu setzen!
- Wenn Angehörige einen Suizidversuch befürchten, sollte dies ruhig und sachlich angesprochen werden. Darüber hinaus ist es sehr wichtig, in dieser Situation
professionelle Hilfe (Arzt, Therapeut, Klinik) zu suchen. Wenn akute Gefahr besteht, sollten Angehörige den Betroffenen auf keinen Fall alleine lassen, sondern ihn zum Arzt oder in die Klinik
begleiten oder sofort den Notarzt oder die Polizei verständigen und ihren Verdacht äußern!